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fatgate

Das , worüber die Gnosis spricht, ist deshalb so unerhört, weil wir, nachdem der schwere Vorhang hinter uns zuschlägt, in völliger Vergessenheit, nicht einmal diesen noch zu erkennen vermögen.

 

 

Als ich am Nachmittag auf Umwegen durch das Viertel lief, fiel mein Blick plötzlich auf jenes Tor. Noch nie war es mir aufgefallen. Aufgrund eines unerklärlichen Ereignisses hatte es sich meiner richtungslosen Suche angeboten. Es blieb, auch nachdem ich danach mehrmals im Laufe eines Jahres daran vorbei gegangen war,

stets geschlossen. Jemand hatte es mit Fett eingerieben. Der Grund blieb mir verborgen. 

 

Bekam das Tor diese Behandlung, damit niemand darauf etwas anbringen oder schreiben kann? 

Oder ist es eine Verschmutzung, die aus Böswilligkeit aufgeschmiert wurde? Dann hätte der 

Eigentümer sicherlich nach kurzer Zeit gereinigt. Ist das Fett ein Korrosionsschutz? Dazu nimmt man gewöhnlich Farbe. Vielleicht hatte der Besitzer eine große Menge Fett vorrätig und hat sich die Farbe gespart? In diesem Fall hätte er aber bestimmt das ganze Tor eingefettet. Benutzbar wäre das Tor dann aber auch nicht, man würde sich stets mit Fett beschmieren. Wahrscheinlich wird dieses Tor gar nicht benutzt, dachte ich mir irgendwann. Denn weder Schloß noch Riegel, keine Klingel und kein Schild sind zu sehen. Es scheint nur eine Attrappe zu sein, ein Tor, welches sich nie öffnet, das einen Eingang, einen Durchgang nur vortäuscht,

ja, vom eigentlichen Zugang nur ablenkt. 

 

Man wird, wenn man dieses Tor nun schon einmal entdeckt hat, abgewiesen. So wie die bösen Geister,

die nicht in den Innenraum eines geweihten Ortes gelangen dürfen. Denn ihr Blick und sie selbst werden von Knotenbildern, Mäandern, Verwirrspielen und unlösbaren Aufgaben, die vor dem Eingang angebracht sind,

aufgehalten, irregeführt und so am Passieren gehindert.

 

Das Fett scheint mit einer breiten Bürste angestrichen. Mit schönen Schwüngen und fliegenden Bewegungen ist dieses weiche Material aufgetragen; und jemand hat mit seinen Fingern noch weitere unlesbare Bahnen hineingezogen. Auf diese Weise bleibt es ein wie mit Flügeln verschlossenes Tor.  Vielleicht hat es so etwas wie eine Salbung oder Versiegelung dieser seltsamen, fast magisch erscheinenden Pforte gegeben; ähnlich jenem Tor in Jerusalems Ostmauer, welches solange verschlossen bleiben muß, bis der Messias kommt.

 

Ich beobachtete, wie das Fett im Lauf der Monate seine Farbe veränderte. Zuerst hatte es einen sesamfarbenen, bernsteinklaren Ton, dann trüber werdend, milchbraun, bald sprödes Ockergrau,

irgendwann rotausfallend wie Blutkruste. 

 

Ich habe niemanden auf der Straße getroffen, der hätte sagen können,  wer in diesem Haus wohnt. 

Menschen, die im Stadtteil lebten, kannten, auf mein Fragen hin, das „Fettige Tor“ ja gar nicht. 

Niemand konnte mir, bis auf diesen Tag, erklären, welche Bewandtnis es damit haben könnte. 

 

Wenn ich jetzt wieder hinlaufe, ist das Fett vielleicht verschwunden, vielleicht auch das Tor selber.

Vielleicht finde ich selbst diesen Ort nicht mehr wieder. 

 

 

Wir leben derweil hinter dem Tor, mit allem beschäftigt, nur nicht mit dieser Frage, 

und keiner geht vorbei, der sie stellt.

 

 

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