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Eigentliche Contrafactur und Delineation der herrlichen und denckwürdigsten Victoria Situation und warhaffter Prospect des gewaltigen und erschöcklichen Treffens bey der alten Statt Revier, so sich selbst inniglich mit gross Fewer beängstiget.

Zu sehen ist eine von Wolken und Schwaden überzogene Kugel, deren dichte Hülle sich aus Pulverdampf, Rauch, Explosionen und Brandschwaden gebildet hat. Diese Bewölkung, erzeugt aus Vorlagen des 17.Jh. (besonders aus dem Theatrum Europaeum / Merian), hat das Darunterliegende offenbar völlig abgedichtet, mithin verdunkelt. Der Zustand eines unabsehbaren Ausnahmezustandes, markiert durch räumliche und zeitliche Rahmenlosigkeit, wie im 30jährigen Krieg geschehen, mag eine immunologische Angelegenheit gewesen sein. Ein Krieg, aus welchen Gründen auch immer, gegen das Fremde, das Bedrohende. Es ging dabei um die Abwehr des Anderen, des von aussen Kommenden, offiziell um die Abwehr des Feindes in Glaubensfragen.

 

Von Ferne besehen und so verdichtet, muss sich das ganze Scharmützel aber wie ein sich selbst zerstörender Organismus ausnehmen. Ein Überschuss an fragwürdiger aber, wie soll man anders glauben, ernst gemeinter Energie, welche an sich selbst entladen wird. 

Eine krebsartige Zerstörungskraft, welche die nach dem Leben Trachtenden (sei es um Gott oder weltlichen Gewinn) hinwegrafft. Eine Potenz, die sich in eine Festung verwandelt hat, und deren Festigkeit sie selbst wieder zur Auflösung bringt. Der Festungscharakter einer solchen Welt-Gesellschaft, der sich in folgenden Verhältnissen beschreiben lassen könnte: der Kampf gegen die Natur (ein Inbegriff der Neuzeit - Erschöpfung von Ressourcen), der Kampf gegen die Konkurrenz (Entsolidarisierung und Atomisierung von Gesellschaft), der Kampf des Subjektes gegen sich selbst und damit weg von einer immunologischen Leistung zu einer Autoaggression, zum Infarkt (Leistungssubjekte, Selbstzwang, Depression). Dieser letzte Kampf, in dem man seine eigene Großartigkeit, die eigene Ermächtigung und Potenz und ebenso sein unhintergehbares Versagen einfach nicht mehr aushalten und ertragen kann und sich nach Befreiung von sich selbst sehnt.

 

Die Frage nach der Selbsterschöpfung, nach dem „Gewebsuntergang" ist schon längst zum Genre geworden, welches auch um eine Ästhetik des Infarktes nicht verlegen scheint. Gibt es eine Schönheit des Untergangs, gibt es nicht schon so etwas wie eine heimliche Vorfreude auf das endliche und vollständige Verschwinden der irdischen Last und des Verdrusses an sich selbst? Im 30jährigen Krieg sang man die Lieder, in deren Seufzer man heute, mit einem Blick auf sich selbst, auf den Infarkt des Subjektes, auf den inneren Brand, erneut einstimmen könnte: "Das ist das Feur, das uns versehrt, das Mark in allen Beinen. Daher kommt es, daß der Tod verzehrt, die Großen und die Kleinen." (Paul Gerhardt, Vom Tod und Sterben) und auch der Schrecken vor sich selbst hat nichts an Bedeutung verloren: "Mir grauet vor mir selbst, mir zittern alle Glieder, ... Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst, und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten." (Andreas Gryphius, An sich selbst). 

 

Und das Schweigen nach jenem Untergang, die Leere, welche herrschen muss, sollte der Dampf sich je wieder verziehen, der leblose Ort, an dem wieder Flechten und Sporen, Zellen und Aminosäuren ein Neues beginnen, haben wir dann den achten Tag? - Oder ist dies die Metapher desjenigen, der, das Unheil beschwörend, schon vor der Zeit alt geworden ist?

 

 

 

 

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