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Der Gorbitzer Schatz

Was sich in Dresden Gorbitz abbildet, ist eine Struktur, die auf eindimensionalen Grundlagen gewachsen ist (Wohnraum schaffen), relativ wenig integrative Momente und minimale stadträumliche Diversivität bietet (Wohnen + Schule + Schwimmbad + Einkaufszentrum + eine kleine Kirche am Rand). Sozialer Entmischung wird in Gorbitz ein Gesicht gegeben (günstiges Wohnen als Grund für Milieu-Kummulation).

Daher ist dieser Stadtteil offenbar fähig, sein Stigma selbst zu reproduzieren. 

"Nicht nur die Wohnungsbaugenossenschaften kämpfen heute gegen die Eigendynamik dieser Entwicklung. Längst hat sich das typische Plattenbauklischee vom sozialen Brennpunkt etabliert."

(Uta Hergert/Marcel Raabe: Platte mit Aussicht, Dokumentarfilm, 2006)

 

Welche künstlerischen Eingriffe können, den Wünschen der Landeshauptstadt Dresden entsprechend, "öffentlich, dauerhaftsubtil, sozial, lebendig, kulturell, kommunikativ, unterstützend, integrativ und partizipativ" für den "Stadtumbau befördernde Zeichen und Impulse" setzen?

 

 

Mein Vorschlag läuft auf ein Experiment hinaus, dessen Bewegungen und Ergebnisse nicht vorhersehbar sind. Die Prozesse sind weder leicht zu dokumentieren noch in ihrer Wirkung darstellbar. Ich schlage ein Projekt vor, welches sich wahrscheinlich nur im sozialen Raum abspielen wird. Keine Skulptur, kein Fundament, keine dauerhafte „künstlerische Setzung“ im Wohngebiet. Erhofft wird ein Impuls, der zu verstehen gibt: Es kommt kein Märchen zu uns, wir können höchstens selber eines machen. Und zwar ein anderes als im Märchenbuch. Es geht um ein „reales Märchen“, welches in unseren Tagen passiert. Das heißt: Überwindung des Märchens, Überwindung der überkommenen Glücksvorstellung. Denn das alte Märchen und der Märchen-Schatz, das sind immer nur externe, außerhalb unserer Gegenwart und Teilhabe vorgestellte Erlösungswünsche.

 

 

IDEE:

 

Das Projektgeld (35 000 Euro) wird eingesetzt, um einen „Schatz“ für Gorbitz zu erwerben. (1)

 

Der Schatz besteht aus feinem Silber. (2)

 

Das Silber wird in eine vom Künstler entworfene Form gegossen. (3)

 

Der Schatz wird in Gorbitz versteckt.

 

2000 Tücher mit einem aufgestickten code werden in Gorbitz verteilt. (5)

 

Die Tücher können in Gorbitz weitergegeben werden. Auch die Bewohner von Altgorbitz nehmen teil.

 

Eine Informationspostkarte wird 1 Woche vor Verteilung der Tücher an alle Haushalte gesendet. Zeitgleich wird eine website mit allen Informationen zum Projekt freigeschaltet.

 

Ca. 75% der zusammengetragenen codes können die Lösung/den Fundort angeben.

 

Wird der Schatz nicht gefunden, verbleibt er im Versteck und bildet so ggf. eine Legende.

 

1) Abzüglich Produktions- und Werbekosten für das Projekt.

 

2) Silber gehört zu den bekanntesten Reichtümern Sachsens und des südlich an Gorbitz grenzenden Freiberger Reviers. Der Silberbergbau in Sachsen ist, trotz einiger Verlautbarungen, noch nicht wieder aufgenommen, so dass leider kein Freiberger Silber erhältlich ist. Trotz Schwankungen am Rohstoffmarkt ist Silber in den vergangenen Jahren durchgehend im Wert gestiegen. Die ständige Nachfrage der Elektro- und Solarindustrie aber auch der Medizin und der Textilbranche garantiert also eine Wertsteigerung des Gorbitzer Schatzes, denn die Vorkommen von Silber sind weltweit stark begrenzt. Die Eigenschaften des Silbers, nämlich beste Leitfähigkeit und hohe optische Reflektionsfähigkeit, dürfen gern als Metaphern für das Spiel mitgedacht werden.

 

3) Der Schatz ist somit selbst auch ein Kunstwerk, dessen „Wert“ sogar über dem Materialwert des Schatzes liegen könnte, gerade dann, wenn diese Idee realisiert wird und somit ggf. der „Marktwert“ des Künstlers steigt. Eine sich selbst erzeugende Wertanlage (Spekulation) also.

 

4) Geschirrtücher als Gegenstände, die man täglich in Gebrauch hat und die immer sichtbar in der Küche hängen, als ständige Vertreter der alltäglichen Gegenwärtigkeit des Schatzes (des Glückes). Sie werden gleichmäßig über Gorbitz verteilt (ca. 2-3 Tücher pro Hauseingang und einzelne Häuser in Gorbitz). Die Spielregel besagt: Bei Umzug/Auszug aus Gorbitz muss das Tuch mit dem code an den Nachmieter übergehen.

 

 

Mein Vorschlag soll als Bild, als eine Einladung zum Spiel im Spiel auftreten. Was wir als Spiel uns aneignen, überträgt sich oft ebenso als Realitätsmuster in den Alltag. Von daher kommt mein Vorschlag erst einmal wie ein gängiges Werbespiel daher (Supergewinne, Grosses Mitmachspiel, Sie haben gewonnen, Das Millionen Bonus Spiel etc.). Vielleicht rechnet man sich aus, wieviel Euro des Preisgeldes auf jeden Bewohner kommen würden und dann winkt man schon ab? Vielleicht ergeben sich aber, obwohl man die Sache leicht durchschaut, trotzdem einige Blicke und Gespräche von Tür zu Tür? Vielleicht aber auch mehr? Natürlich wird niemand Millionär. Aber womöglich entfaltet ein Schatz ja gerade dann die meiste Energie, wenn man ihn noch gar nicht hat? Vielleicht entsteht sogar ein neues Spiel, eines, welches neue Realitäten hervorbringt? Und sollte der Schatz nicht gehoben werden, so ist zumindest das Wissen um ihn ggf. in der Lage, eine Legende zu bilden: Wieviel Aufmerksamkeit ein Ort erlangen kann, der ein Schatzort ist oder sein soll, das kennt man beispielsweise von Nebra (Himmelsscheibe) oder vom Nibelungenschatz am Rhein (Lochheim). Somit hätte man eine Art „Nachhaltigkeit“ durch eine kuriose Erzählung, an der es Gorbitz mangelt, erzeugt. 

 

 

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